Hoher Spaßfaktor
REUTLINGEN. Ein derartiges Gedränge gab es im Jazzclub »Mitte« schon sehr lange nicht mehr. Über 120 Fans wollten am Samstagabend die Blues Akademie live erleben und waren sich dem Beifall nach zu schließen einig: Das Reutlinger/Tübinger Sextett ist eine stimmungsvolle Band mit Musikern, die ihr Handwerk verstehen und mit ihrem nachgespielten Repertoire genau den Nerv des Publikums treffen.

- Gine Gelsdorf am Saxofon. FOTO: JÜSP
Die gute Laune der Zuhörer hatte Gründe: Erstens kam die Beschallung
hervorragend rüber. Der kompakte Sound, der bei sechs Musikern auf solch
engem Raum gar nicht so einfach hinzubekommen ist, war auch in den
hinteren Reihen des kleinen Jazzkellers noch deutlich - und nicht zu
laut - zu hören. Zweitens hatten die anfangs noch etwas nervösen Musiker
schon bald engen Kontakt zu den Besuchern. Denen, zumindest dem
männlichen Teil, bereitete es zu Beginn zwar noch etwas Überwindung, der
Aufforderung zum Mitklatschen bereitwillig nachzukommen. Doch die
altbekannten Soul-, Funk- und Bluesrock-Klassiker von Eric Clapton,
Luther Allison, B. B. King oder noch ältere von Ten Years After,
Grateful Dead und Deep Purple gingen geradezu zwingend in Hände und
Beine.
Dritter Aktiv-Posten ist die Art und Weise, wie engagiert die seit 1996
bestehende Band aufspielt: Vor allem Sängerin Micha Schoettle und
Gitarrist Carsten Keller präsentieren sich bestens aufgelegt und
stimmlich wie musikalisch in Hochform. Auch Saxofonistin Gine Gelsdorf,
Drummer Marek Niedzielski, der mit verstauchtem Fuß angetretene Bassist
Manfred Schlecht und mit Abstrichen auch der zweite Sänger Eugen Krauss
spielen nicht nur am Coverband-Durchschnitt gemessen äußerst
professionell für eine Freizeitcombo. Und dazu noch meist exakt auf den
Punkt. Man merkt der Musik an, dass die Bandmitglieder voll bei der
Sache sind und dass sich ihre Spiellaune aus vielen gemeinsamen
Auftritten heraus entwickelt hat.
Stilistische Vielseitigkeit
Zur Spielfreude kommt eine im Jazzclub »Mitte« eher selten zu hörende stilistische Vielseitigkeit. Ob Led Zeppelins Rockklassiker »Ramble On«, das funkige »Why Did You Do It« von Stretch oder das legendäre »Pick Up The Pieces« von der Average White Band: Vieles passt da zusammen, auch ohne demonstrativ zur Schau gestellte Instrumentaltechnik in sich ständig wiederholenden Soli. (jüsp) © REUTLINGER GENERAL-ANZEIGER